Emotio und Ratio

Unser Leben ist von Verhaltensmustern geprägt. Die Herkunft dieser Muster ist uns zum größten Teil nicht bewusst. Ebenso unbewusst sind uns die Reize, die dafür sorgen, dass bestimmte Verhaltensmuster immer wieder ausgelöst werden und immer in der gleichen Weise ablaufen. Das Ergebnis kann positiv oder negativ sein. Positiv wird es dann sein, wenn unser Handeln möglichst gut von unseren angeborenen (instinktiven) und unseren erlernten (konditionierten) Verhaltensmustern unterstützt wird. Unser Verhalten steht dann im Einklang mit unserer Identität. Beim Investieren ist das Problem, dass der Mensch jene Bereiche nicht meiden kann, für die er aufgrund seiner Persönlichkeit nicht geeignet ist. Beim Investieren sind gleichzeitige Fähigkeiten gefragt, die sehr konträr sein können. Jeder Mensch handelt gemäß eines individuellen Verhaltensmusters, das stark durch seine Grundpersönlichkeit geprägt ist. Daher gibt es für verschiedenen Menschen bei gleicher Aufgabe unterschiedliche Lösungswege. Im Folgenden stelle ich ein grundlegendes Verhaltensmusterpaar dar, das unterschiedliche Denk- und Handlungsziele beschreibt: 

Der Macher

Macher sind Menschen, die nur dann im Frieden mit sich selbst sind, wenn unmittelbar gehandelt wird, getreu nach dem Motto „da muss man doch was machen und zwar sofort“ oder „das bringe ich gleich hinter mich“. Die Frage nach der Qualität der Reaktion erfolgt erst an zweiter Stelle. Der Macher entscheidet beziehungsweise handelt ganz schnell, ob er muss oder nicht, oft auch ohne alle relevanten Details zu kennen. Stillstand oder unerledigte Dinge kann er nicht ertragen. Der Macher ist rast- und ruhelos, die Extremform ist der Workaholic. Da diese Menschen immer aus einem inneren Drang heraus sofort etwas unternehmen müssen, neigen sie dazu Fehler zu machen. Und Fehler müssen wiederum sofort korrigiert werden. Auch scheinbare Fehler, wie z.B. zwischenzeitliche Buchverluste, zwingen sie zum Handeln. Der Macher wird die ganzen emotionalen Schwankungen an der Börse mitmachen, er gerät fast automatisch in die Situation des „Overtrading“, was immer zu Verlusten führt. Der Einstieg ins Investieren fällt dem Macher leicht, denn er wartet ja ständig darauf, in Aktion treten zu dürfen. Auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur wird der Macher aber sehr leicht vom Markt „zur Handlung“ gezwungen. Die Position gerät in die Verlustzone und der Macher sieht sich sofort veranlasst, etwas zu unternehmen, um ein weiteres Abschmelzen zu unterbinden. Selbst wenn er sich beim ersten Mal noch beherrscht, wird er es spätestens beim zweiten oder dritten Mal nicht mehr aushalten, die Position verfrüht zu schließen. Der Markt zwingt ihn zu Handeln und die Korrektur schüttelt ihn ab. Umgekehrt kauft der Macher sich bei steigenden Kursen ein, ohne Überlegung ob das Investment überbewertet ist, einfach nur um dabei zu sein. Der Macher ist sehr stark von Emotionen getrieben. 

Der Denker

Denker dagegen sind Menschen, die nur nach reiflicher Überlegung in Aktion treten können. Sie lieben es, sich Zeit zu nehmen, um alle Möglichkeiten einer angemessenen Reaktion auf ein Ereignis zu ergründen und zu überdenken. Hier steht die Qualität der Entscheidung im Vordergrund. Wenn Denker in Aktion treten, machen sie insgesamt seltener Fehler, sie handeln dafür aber häufig nicht, weil sie vor dem Dilemma stehen: „Habe ich alles für meine Entscheidung bedacht?“. Fehler entstehen hier weniger durch die Entscheidung selbst, sondern meistens durch das Nichthandeln. Dem Denker fällt es somit schwer sich als Investor zu betätigen, da er immer noch ein „Wenn und Aber“ findet. Bei vielen Investmentchancen ist er dann nicht dabei, weil er es nicht geschafft hat, sich zu entscheiden. Auf Grund der Verzögerungen oder des Nichthandelns spielt der Zeitfaktor gegen den Denker, denn er verpasst das „Time in the Market“. Der Denker wird sich mehrheitlich mit Musterdepots oder Analysen beschäftigen. Er scheut das Risiko und verpasst somit häufiger die Rendite. Beim Denker überwiegt somit das Ratio und auch das kann, wie beim Macher die Emotio, langfristig zu Verlusten führen.

Weder der Denker noch der Macher ist besser oder schlechter oder dem Anderen überlegen. Beide Verhaltensmuster haben beim Investieren an bestimmten Stellen ihre Vorteile, aber eben auch an anderer Stelle schwerwiegende Nachteile. Hier wird deutlich, dass erfolgreiches Investieren, abhängig von der jeweiligen Situation, die Beherrschung beider Verhaltensweise erfordert. Die meisten Menschen haben von beiden etwas, tendieren jedoch in eine Richtung. In Situationen, in denen ein Verhaltensmuster nützlich ist, kann man es so belassen oder sogar verstärken und in Situationen, in denen es schadet, sollte man versuchen, das gegensätzliche Muster zu erlernen und anzuwenden. Wichtig ist der Versuch sich selbst einzuordnen um dann sein Verhalten zu korrigieren. Ob du ein Macher oder Denker bist, dazu helfen folgende Fragen:

Macher

  • Wenn Anforderungen gestellt werden, mache ich da sofort einen Plan wie diese umsetzbar sind, selbst wenn keine Eile besteht?
  • Will ich oft sofort in Aktion treten, notfalls auch ohne Plan?
  • Werde ich öfters von anderen aufgefordert „etwas langsamer zu machen“?
  • Ärgert mich allzu langes Planen anderer? 

Denker 

  • Lass ich an mich gestellte Anforderungen erstmal so stehen, ohne zu reagieren?
  • Habe ich häufig das Gefühl, dass andere schneller agieren als ich?
  • Werde ich öfters von anderen aufgefordert „jetzt endlich mal anzufangen“?
  • Fühle ich mich häufig von anderen oder den Umständen unter Druck gesetzt?
  • Liebe ich es gestellte Aufgaben erst mal ausführlich zu planen?

Mir hilft diese Analyse der Verhaltensmuster stark bei meinen Investmententscheidungen. Es überwiegt der Denker in mir und es fehlt der Macher in manchen Situationen. Wie ist es bei Euch da draußen? Würde mich diesmal über eure Kommentare echt freuen!  

Emotio und Ratio

Etwas Psychologie

Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Summe der individuellen Investmententscheidungen einen Anleger zum Gewinner oder Verlierer machen. Individuelles Verhalten ist teilweise evolutionsbiologisch vorprogrammiert und dadurch ergeben sich oftmals die erheblichen Konflikte, wenn es darum geht erfolgreich zu investieren. Auf „seinen Bauch zu hören“ führt nicht selten zu Verlusten. Diese emotionalen von Gier oder Panik geleiteten Entscheidungen kann man nur durchbrechen, indem man einen Lernprozess durchläuft. Bisher gelernte natürlich und konditionierte Verhaltensmuster hindern uns oft daran erfolgreich zu sein. Wenn zum Beispiel in der Stadt alle Leute nach oben starren, musst du lernen nach unten zu schauen. Das bedeutet, dass wir gezwungen sind uns in Bezug auf das Investieren völlig neu zu konditionieren, denn die notwendigen Verhaltensweisen sind in unserer Erfahrungsbibliothek gar nicht vorhanden. Wir müssen uns also neue Verhaltensmuster aneignen, die möglichst gut auf die Aufgabe „Investieren“ abgestimmt sind. Diesen Lernprozess des Investierens kann man nur durchlaufen, wenn man ihn als Anleger auch finanziell überlebt. Ohne Kapital kann man keine Erfahrungen mehr sammeln. Es liegt auf der Hand, dass man das alles nicht von Heute auf Morgen durch ein Buch oder mittels eines Seminares erlernen kann. Allerdings kann man den Reifeprozess eigenständig initiieren und damit wesentlich abkürzen. Eine ganze Reihe von Erfahrungen kann man durch Gespräche, durch Bücher oder Seminare machen. Wenn man aber diese Inhalte eins zu eins übernimmt, wird man sehr schnell feststellen, dass auch das nicht perfekt funktioniert. Das Gegenüber, also der Buchautor oder Blogger, kann nämlich immer nur von seinen Erfahrungen und aus seinen Blickwinkeln berichten und dieser muss nicht unbedingt zu einem passen. Nur was stimmig zu deiner Person und dem Lebensabschnitt ist, hilft einem weiter. Ein Rezept für das perfekte Investment gibt es nicht, aber Wissen ist Macht und das Investoren-Wissen besteht aus 3 Komponenten:

  1.  Handwerk: Wie funktioniert Investieren? Das ist noch am einfachsten über Bücher zu lernen. 
  2. Verhaltensmuster: Wie funktioniere ich beim Investieren persönlich? Dies wird schon schwieriger, denn dazu muss man ehrlich zu sich selber sein und seine Stärken und Schwächen genauestens analysieren.  
  3. Rollenspiel: Wann wende ich welches Verhaltensmuster an? Jetzt kommt das Wissen über die Märkte und deren wirtschaftliche Umfeld hinzu und dies ist mit der erarbeiteten Strategie abzugleichen. 

Wie kann man das Ziel erreichen? Zunächst ist es notwendig, eine Bestandsaufnahme zu machen, also den Istzustand zu definieren. Dies erfolgt über eine intensive Selbstbeobachtung. Dabei treten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten auf, Emotionen richtig zu beschreiben und einzuordnen. Euphorie und Gier ist wie die Angst und Panik mit körperlichen Gefühlen kombiniert. Hier habe ich am meisten gelernt, indem ich intensiv  meine Stimmungen analysiere und Klarheit über meinen emotionalen Zustand bekomme. Die Klarheit über den Sollzustand kommt durch eine ausgetüftelte Investmentstrategie die man im Vorfeld genau festgelegt hat. Der Abgleich vom klaren Istzustand mit dem klaren Sollzustand führt dann zu einer Aktivität die dann  letztendlich zur Zielerreichung – dem Drehbuch zum Erfolg – führt. Die Chancen, den Reifeprozess eines Investors aus finanzieller Sicht zu überleben, wird damit deutlich erhöht. Das Drehbuch wird aber allzu oft von anderen (Finanzberatern, Versicherungsagenten, Brokern, Finanzmedien, falsche Gurus oder die Emotionen der Massen) geschrieben und damit gibt man die bewusste Ich-Entscheidung über die finanzielle Freiheit aus der Hand. Denn falsche Verhaltensmuster führen bewusst oder unbewusst zu Fehlverhalten, Stress-Situationen und damit zu Verlusten. 

2020-12-25_Traderhirn

 

Etwas Psychologie

Kursverluste

Auch für unser Depot waren die letzten Wochen eine Achterbahnfahrt. Warren Buffett sagte zum Thema Kursverluste: „Kaufe eine Aktie nur dann, wenn du einen Kursverlust von 50% aushalten kannst, ohne in Panik zu verfallen. Wenn du zu Panik neigst, bleibe der Börse fern.“ Darin stecken aus meiner Sicht allerdings zwei Weisheiten: Erstens klug zu investieren, dass solche Verluste nur selten entstehen und zweitens, wenn man von seinem Investment überzeugt ist, die Emotionen wie Angst und Panik bei Kursverlusten unter Kontrolle zu haben. Als Value Investoren polen wir uns deshalb um: Der Pessimismus von Mr. Market ist unser Freund an der Börse, dessen Euphorie ist unser Feind. Denn geht man allzu optimistisch ans Werk, könnte man z.B. kaufen, weil generell steigende Kurse zu erwarten sind. Die Euphorie eines Mr. Market trübt also den Blick auf die Fakten. Deswegen ist mir unsere Watchliste mit den Bewertungskriterien ganz wichtig, diese Checkliste nimmt meinen Emotionen aus den Entscheidungen und relativiert dann oftmals die Sicht auf das Geschehen an den Börsen.

Kursverluste